Sie sind im Bereich: Forschung

Grenzgänger I und II

Diskussionsreihe

Grenzgänger ist eine Austauschplattform, die über disziplinäre und institutionelle Grenzen hinweg Forschungsthemen verknüpft. Es soll damit ermöglicht werden, auf die Berührungspunkte einzugehen, die zwischen den unterschiedlichen Perspektiven/Disziplinen in der Stadtforschung bestehen. Zu den Themen der Reihe gehören sowohl praxisorientierte als auch theoretisch fundierte Fragestellungen (provokant, konkret und allgemein verständlich formuliert). Neben einer key note speech (15 Min.) wird eine Diskussion der Teilnehmer mit 2-3 eingeladenen Gästen die Veranstaltung prägen.
In und außerhalb Berlins befassen sich bereits zahlreiche Wissenschaftler an unterschiedlichen Einrichtungen in Berlin mit Fragestellungen, die den urbanen Kontext betreffen. Deren Vernetzung und Anbindung zu anderen Fachmilieus ist derzeit jedoch eher gering. „ Grenzgänger“ zielt auf eine bessere Vernetzung und Kompetenzbündelung von Stadtforschern.

Das Programm:

24.11.2010: Architektur als Wissenschaft?

Die Frage, ob Architektur mit wissenschaftlichen Methoden betrieben werden kann, stellt sich immer wieder. Im Verlauf dieser Debatten lernte die Architektur, sich im Kleid der Wissenschaftlichkeit zu kleiden, während die Wissenschaft – paradoxer Weise gleichzeitig – vermehrt die räumlichen und architektonischen Aspekte ihrer Methodiken, Instrumente und Arbeitsweisen entdeckte. Was bedeutet das für das Selbstverständnis von Architektur und Wissenschaft?
Prof. Susanne Hauser, Prof. Jörg Noennig und Dipl.-Ing. Jan Bovelet gehen diesen Fragen in der ersten Veranstaltung im Rahmen der Grenzgänger-Reihe nach.
Konzept und Organisation: Martin Schwegmann und Majken Bieniok


09.02.2011: Wer macht Geschichte? Die Museumslandschaften in Paris und Berlin

Anhand von Beobachtungen zur Reorganisation der Museumslandschaft in Paris (Musée du quai Branly, Schließung: Musée de l’homme, Eröffnung: Cité nationale de l’histoire de l’immigration im Palais de la Porte Dorée) stellen wir uns Fragen über neue Formen der musealen Präsentation von Sammlungen in Berlin im Humboldt-Forum. Wir werden reflektieren, welche Repräsentationsdebatten auftauchen bezüglich: erstens, die Juxtaposition von kolonialgeschichtlich geprägten Sammlungen und rekonstruierter preußischer Schlossfassaden und zweitens, die Partizipation von „Communitys” und der daraus folgenden Repräsentationsfragen.
Es diskutieren Fr. Dr. Susanne Leeb mit anderen Gästen aus dem Museumsbereich, dem Bereich postkoloniale Studien und den Kulturwissenschaften.
Konzept, Organisation und Impuls: Andrea M. Torres und Heike Oevermann


23.3.2011: Nachhaltigkeit: Nur ein [popu]leeres Wort?

Die Grundeinstellung eines Diskurses ist die genaue Beschreibung von alle verwendeten Begriffen. Wenn dieser Schritt nicht erfolgt, wird eine greifbare Kommunikation schwierig. So wie in dem Fall des Nachhaltigkeits-Diskurses. Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist in den letzten Jahren zu einem „Haushalts-Begriff“ geworden. Fragt man jedoch einen Laien, was dieser Begriff konkret bedeutet, bekommt man eine bunte Mischung von Antworten: grün, „öko“, „bio“, umweltfreundlich usw. Dieser Diskussionsabend versucht zu klären, warum die hegemoniale Wahrnehmung dieses Begriffes so unklar ist. Es wird der These nachgegangen, dass die unterschiedliche Verwendung desselben Begriffs in verschiedenen Themengebiete, wie zum Beispiel Ökologie, Entwicklung, und Bauen, zu dieser ungenauen Verwendung geführt hat. Es sollen Erfahrungen aus der Forschung im Bereich Nachhaltigkeit präsentiert und mögliche Lösungen diskutiert werden.
Die Gäste des Abends werden im GSZ-Newsletter bekannt gegeben.
Konzept und Organisation: Mary Dellenbaugh


25.5.2011: Klimawandel und Städte:
Opfer oder Raumlaboratore für Klimaschutz und Klimaanpassung?

Der Klimawandel wird die Städte in besonderem Maße treffen. Je weiter wir in die Zukunft schauen, desto größer die Herausforderungen. Was können Städte tun, um sich auf den Klimawandel einzustellen – und vor allem, um ihn zu bekämpfen? Ist kommunaler Klimaschutz nicht völlig unzureichend angesichts der Größe der globalen Aufgaben?
Am Beispiel Berlin, Potsdam, Hyderabad und Masdar soll – mit Blick auf die spezifischen Skalen und Raumvorteile und die besonderen sozialen und gouvernementalen Gegebenheiten in Städten – die entscheidende Rolle der Kommunen bei Klimaschutz und Anpassung diskutiert werden.
Es diskutieren Prof. Fritz Reusswig, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und weitere Gäste.
Konzept und Organisation: Lutz Meyer-Ohlendorf


26.10. 2011 Decolonizing the University - Die Dekolonisierung der Universität

„Les Indigènes de la République“ ist eine politische Bewegung, welche die urbanen Räume von Paris und Frankreich interveniert hat und vor dem Hintergrund von Debatten über Migration und Feminismus an Bedeutung gewinnt. Heutzutage sind „Les Indigènes“ eine „dekoloniale“ politische Partei. An diesem Abend werden Houria Bouteldja und Ramón Grosfoguel über die Schwierigkeiten eines Dialogs zwischen „Les Indigènes“ und dem französischen akademischen Milieu diskutieren. Was sind die sozialen, politischen und epistemischen Folgen? Wie könnte sich eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik gestalten? Soll die Einrichtung der westlichen Universität dekolonisiert werden?

Es Houria Bouteldja (Spokesperson von „Les Indigènes de la République“, Paris) und Prof. Ramón Grosfoguel (Department of Ethnic Studies, UC-Berkeley).
Konzept und Organisation: Andrea Meza Torres


25.1.2012 Virtual? urban intervention

Virtual? urban intervention befragt Akteure urbaner Blogs danach, ob und wie die Erforschung der Stadt und urbane Interventionen durch neue Medien erfolgen können. Wir wollen an diesem Abend die Schnittstellen, Konzepte und Ideen von Bloggersphäre und Stadtforschung diskutieren.
Fragen nach der Herangehensweise und Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum sowie nach der Veränderung der Sicht auf Stadt durch Social Media oder die Funktionsweise des medialen Raums bieten Möglichkeiten sich gemeinsam diesem Themenkomplex zu nähern.

Gäste: Karsten Drohsel, URBANOPHIL; Rudolf D. Klöckner, URBANSHIT und Eric Sturm von ARCHTEKTURVIDEO
Konzept und Organisation: Heike Oevermann und Eszter Ganter


22.02.2011 Illegalisierung und Stadt

Die Stadt ist eine umkämpfte Arena in Bezug auf die Reproduktionsbedingungen für illegalisierte MigrantInnen. Sie ist ein Ort der Ausbeutung illegalisierter Arbeitskraft, die spezifische Bedürfnisse in einer post-fordistischen Wirtschaft erfüllt. Illegalisierte arbeiten als Nannies, Tagelöhner auf dem Bau, Pflegekräfte, Reinigungskräfte, landwirtschaftliche Hilfskräfte, Restaurantangestellte usw.
Verschiedene Kontroll- und Sicherheitsregimes, die sich in der Stadt entfalten, machen die Lebensbedingungen prekär, da das Risiko „entdeckt” und vom Staat abgeschoben zu werden im Alltag der Illegalisierten, zumal in Deutschland, nahezu allgegenwärtig ist.
Die Stadt ist aber auch ein Ort in dem solche Regimes untergraben werden und sich Widerstand gegen diese Bedingungen formiert. Migrantische Communitys und Netzwerke von Unterstützenden schaffen alternative Institutionen zur Gesundheitsversorgung, Arbeitsplatzvermittlung und anderem. Es wird in bestehende Organisationen hineingearbeitet, um Öffnungen für die Problemlagen von Undokumentierten zu erzeugen und Bündnispartner für gesellschaftliche Veränderungen zu gewinnen, z.B. bei Gewerkschaften, Kirchen und Schulen.
Dabei sind viele unterstützende Organisationen immer wieder mit der politischen Frage konfrontiert, inwieweit alternative Institutionalisierungen zur Unterstützung Illegalisierter lediglich einen Zustand von „europäischer Apartheid” (Balibar) verfestigen oder neue Möglichkeiten eröffnen, die Kämpfe der Illegalisierten auszuweiten. Ferner stellt sich die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen konkreter Unterstützungsarbeit auf lokaler Ebene und dem Ausgrenzungsregime, das nationalstaatlich und auf EU-Ebene organisiert ist.

Inwieweit eröffnet ein transnational vergesellschafteter Raum der Stadt hier neue Perspektiven für die Organisierung von Illigalisierten oder vermag Wege durch das Dilemma zwischen konkreter Hilfe und politischer Arbeit zu bahnen?

Um solche und andere Fragen zu erörtern, laden wir zu einer Diskussion mit Manuela Bojadžijev und Susann Huschke ein. Manuela, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie (HU) und Gründungsmitglied von Kanak Attak, wird ausgehend vom Konzept der „Autonomie der Migration” Licht auf diese Fragen werfen. Susann Huschke vom Institut für Ethnologie an der FU und vom Berliner Medibüro wird den Fokus auf die Krankheitserfahrungen Illegalisierter legen und anhand von Fallbeispielen zeigen, wie illegalisierte Lateinamerikanerinnen durch das Berliner Versorgungssystem navigieren.

Die Moderatoren: Majken Bieniok ist ebenfalls beim Medibüro engagiert. Sie hat kürzlich ihre Promotion in Psychologie an der HU abgeschlossen und ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Kognitive Psychologie tätig. Markus Kip arbeitet beim Arbeitskreis „Undokumentierte Arbeit” bei ver.di Berlin-Brandenburg mit und schreibt eine Dissertation in Soziologie an der York University in Toronto. Beide sind Mitglieder der Graduate Studies Group am Georg Simmel Zentrum.


21.03.2012 Gefühlte Stadt – gefühlte Schrumpfung? – Phänomenologische Perspektiven auf (schrumpfende) Städte

Schrumpfende Städte werden von allen Seiten beforscht – immer mit dem Hinweis, dass Schrumpfen endlich positiv bewertet werden muss (z.B. „Shrink Smart!“). Aber was macht das Abwesende eigentlich mit der Stadt und den Menschen? Häuser, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, Geschäfte, die leer stehen oder Hafenbecken, die verwaisen… Diese Leerstellen müssen mit Sinn gefüllt werden. Und aus der Notwendigkeit des Füllens bezieht das Abwesende seine Kraft: Das, was fehlt, wird mit den Erinnerungen und Emotionen derer angefüllt, die es vermissen. Wird die schrumpfende Stadt so zu einem Ort, dessen Fülle aus jenem schöpft, die ihn erfahren haben und zu einem Ort, der leer bleibt, wenn keine Erinnerungen und Emotionen mit ihm verknüpft sind?
Lars Frers will mit seinem Beitrag „zurück zu den Sachen selbst“ (Husserl) einen Überblick über phänomenologische Stadtforschung und subjektives Raumerleben geben. Tore Dobberstein schildert seine Erfahrungen über Interventionen in schrumpfenden Städten aus der Perspektive des Praktikers. Complizen Planungsbüro (Halle/Berlin) hat insbesondere in der Umnutzung bestehender, und oftmals leerstehender Architekturen und Stadtflächen Erfahrungen gesammelt.

Gäste: Lars Frers und Tore Dobberstein
Konzeption und Organisation: Inga Haese und Martin Schwegmann